„Fang mich doch, wenn du kannst“, rief Jen mit ihrer vierjährigen Stimme, während sie mit ihrem siebenjährigen Bruder Hanzo Fangen spielte. Im gleichen Moment parkte ein großer Luxuswagen vor deren offenem Gartentor. Die Kutsche war sehr außergewöhnlich: glänzendes Schwarz mit goldener Umrandung und schwarze Pferde mit langen schwarzen Mähnen. Aus der Karosse stiegen vier schwarz gekleidete Männer aus, die alle circa ein Meter achtzig groß waren. Sie öffneten einem fünften Mann die Tür: Diesmal anders gekleidet. Er trug einen rot-weißen Mantel, der ihm bis zu den Füßen reichte, und einen eckigen Hut. Sie liefen in den Garten hinein. Vor der Tür stand Amina, die Mutter der Geschwister. „Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie mit nervöser Stimme, die sich aber nicht zeigen ließ. „Können wir reinkommen?“ Die unbekannten Männer blieben fünf Meter vor ihr stehen. „Natürlich.“ Ihre nervöse Stimme ließ sich jetzt ein wenig bemerken. Die Männer liefen, ohne etwas zu sagen, hinein. Silas, der Vater, sagte den Geschwistern, sie sollen draußen bleiben und weiterspielen.
Kurz danach in der Küche, während Silas Tee machte, fragte Amina: „Was wollt ihr hier? Wir sind raus und kommen auch nicht wieder. Wir werden uns euch stellen, bis ans Ende unserer Tage!“ Amina sprach so, als würde sie die Männer kennen, was auch der Fall war. „Das wird euch nicht zugutekommen. Wir geben euch achtundvierzig Stunden, um euch zu entscheiden, und wenn ihr nicht die richtige Entscheidung trefft, wird es euch schlecht ergehen. Für euch und eure Kinder!“ Die fünf Männer verließen den Raum und auch das Gelände, all dies während sie Amina und Silas mit einem bösen Blick ansahen.
In den nächsten zwei Tagen waren Amina und Silas sehr nervös: Silas holte sogar die Waffen vom Freiheitskrieg von vor zehn Jahren wieder heraus. Amina schaute sich die ganze Zeit um und blieb nicht eine Sekunde ohne Waffe in der Nähe. Natürlich schöpften Hanzo und Jen Verdacht und wollten wissen, warum ihre Eltern so nervös waren. Sie waren aber noch zu jung, um zu verstehen, dass es etwas Ernstes war. Bis zu dem Tag: Die fünf Männer kamen um genau zwölf Uhr fünfundfünfzig wieder. Genau achtundvierzig Stunden, nachdem sie das letzte Mal gekommen waren: keine Minute mehr, keine weniger.
Diesmal lief es draußen im Garten ab: „Und, wie habt ihr entschieden?“ Amina, die hinter ihrem Rücken Pfeil und Bogen fest in der Hand hielt, holte sie genau in dem Moment heraus und schoss auf die Fremden. „Das heißt also nein, würde ich behaupten.“ Der anders gekleidete Mann stoppte den Pfeil mit bloßer Hand: Er hatte ihn gefangen! Im gleichen Moment schossen zwei der schwarz gekleideten Männer auf die beiden Rebellen und kurz bevor sie getroffen wurden, schrie Silas: „HANZO, JEN, RENNT!“ Blut floss aus seinem Mund heraus. „MAMA, PAPA!!!“, schrie Hanzo heulend. Aber als er bemerkte, dass die Fremden auf sie zielten, nahm er seine Schwester und rannte davon. Voller Tränen im Körper kletterten sie über den Gartenzaun und rannten den Hügel hinab, auf dem sie wohnten.
„Lasst sie nicht entkommen!“
Sie schossen Pfeile auf die trauernden Geschwister. Dann rannte einer von ihnen auf Jen und Hanzo zu. In dem Moment, voller Eile, schnappte sich Hanzo einen Pfeil vom Boden und erstach, fast aus Versehen, den Mann, der auf sie zugerannt kam. Hanzo bemerkte, dass der Mann eine rote Hand auf seinem Arm tätowiert hatte. Genauso eine hatten auch seine und Jens Eltern.
Die zwei Geschwister schafften es bis zum Dorf unter ihrem Hügel, und die Männer verschwanden, um von den Dorfbewohnern nicht gesehen zu werden, während sie so eine grausame Tat begingen. Sie schnappten sich also auch die drei Leichen und verschwanden in ihrer Kutsche, die sofort losfuhr. Sie nahmen einen Weg durch den Wald, nicht die normale Straße. Hanzo und Jen liefen und liefen und liefen. Jeder ignorierte sie. Nach zwei Stunden Laufen kamen sie am Fluss, der die Stadt abgrenzte, an. In der Weite sahen sie ein Haus. Sie überquerten den Fluss. Da standen zwei Personen, die sie hereinließen. Ihre Namen waren Gerhardt und Anna
Dario