Anmerkung: Es handelt sich hierbei um die Fortsetzung des Artikels „Die Zugfahrt“ (16.05.2023). Weitere Kurzgeschichten folgen!
Ich mochte Schule. Alle Fächer, außer Sport. Genauer gesagt, der Dauerlauf und Spiele mit Bällen. Du musst wissen, dass ich eine Ballphobie hatte. Und dass ich nicht gerne rannte. Vor allem nicht grundlos.
Aber es war Pflicht. Ich versuchte schon seit Jahren eine Lösung zu finden, wie ich mich einfach davor drücken konnte, leider erfolglos. Also musste ich mitrennen, jede Stunde.
Drei, zwei, eins, los!
Die Lehrerin stieß die Luft aus, die durch ihre Trillerpfeife so hoch und laut wurde, dass mein ganzer Körper erzitterte.
Ich schnappte nach Luft, sah aus dem Augenwinkel wie meine Mitschüler sich bewegten, davonrannten. Ich befahl meinen Beinen es ihnen gleich zu tun, doch sie gehorchten nicht. Ich schwitzte schon jetzt, ohne überhaupt einen Fuß gehoben zu haben.
Unter gewaltiger Kraftanstrengung konnte ich der Schwerkraft trotzen und schaffte es, mein Fuß vom Boden zu heben.
Endlich.
Mein rechtes Bein kommt einen halben Meter vor mir auf dem Gras bedeckten Boden auf, mein linker Fuß überholt ihn, doch nicht lange und der Rechte steht wieder vorne.
Jetzt nicht stehen bleiben, bitte nicht stehen bleiben, flehe ich in Gedanken.
Die Kinder überholen mich, doch ich komme vorwärts, und das ist das Einzige was zählt. Aber sie rennen alle seltsam… So hastig, als könnten sie nicht schnell genug ankommen.
Es geht hier nicht ums Ankommen, wird mir klar. Sondern ums Wegkommen. Ich kann aber nicht sagen vor was oder wem.
Wir sprinten durch einen schmalen Trampelpfad, links von uns eine steile Felsmauer, rechts ein etwa 30 Meter breiter Fluss. Aus Lava.
Aus dem brodelndem Fluss steigen Feuerblasen auf, die zum Himmel emporschweben und immer kleiner werden. So weit oben und so klein sehen sie aus wie Sterne und wer weiß, vielleicht entstehen so auch Sonnen?
Nicht alle Lavabälle schaffen es bis dort oben, viele platzen auf dem Weg dahin und streuen ihre heißen Funken über die rennende Menge. Sie brennen wie verrückt und spornen uns an. Manchmal berühre ich die eiskalte Steinmauer, nur um der unendlichen Hitze zu entkommen.
Auf der anderen Seite ist wahrscheinlich auch ein Pfad, ich kann es aus der Entfernung nicht ausmachen. Daneben erhebt sich auch eine riesige Mauer aus Stein. Wir sind in einer Art Tal, welches von einem Fluss geteilt wird.
Wir keuchen und rennen und rennen.
Wohin?
Wovor?
Ich weiß es nicht.
Eine rabenschwarze, altmodische Kutsche, die von weißen Pferden gezogen wird, schließt auf der anderen Seite vorbei. Sie hat nachtschwarze Vorhänge, die das Innere abdecken. Wegen der Geschwindigkeit schwankt sie gefährlich hin und her und als sie ungefähr neben uns fährt, kippt sie zu weit zur Seite und fällt in den glühenden Fluss. Die Pferde wiehern, doch sie galoppieren weiter mit ihren eisernen Hufen über dem Fluss. Die Räder der Kutsche gleiten zischend über die Lava.
Ich schaue das Geschehen mit weit aufgerissenen Augen zu. Meine Augen fangen wegen der Hitze des flüssigen
Feuers an zu jucken und zu tränen. Ich reibe sie mir. Als ich wieder klarer sehen kann, fliegt der Vorhang zur Seite und ich erhasche einen Blick auf eine gesichtslose, dunkele Gestalt mit zwei harzfarbigen Augen, die so groß sind wie Fäuste.
Da ich auf das Geschehen zu konzentriert war, habe ich nicht auf den Pfad geachtet und stolpere über einen Stein, der von der Erde raus ragt. Ich verliere das Gleichgewicht und stürze, mein Knie schlürft auf und ich kullere in die heiße Lava.
Ich versuche, mich an irgendwas zu halten, doch es nützt nichts. Meine Haut steht in Flammen und ich will nach Hilfe schreien, doch Lava füllt meinen Mund und verbrennt mir die Zunge. Ich schließe meine Augen um die glühende Hitze zu entkommen und rede mir ein, dass es nur ein Traum ist, während die dickflüssige Flüssigkeit mich runterzieht, immer weiter runter, bis zum Erdkern.
Verfasst von Elisa Iglesias Sichar (8b)